Es geht scharf, es geht um alles, es geht ums Überleben in der DEL 2. Vier Teams aus Crimmitschau, Regensburg, Kaufbeuren und Oberfranken stehen mit dem Rücken zur Wand, eins davon wird den bitteren Gang in die Oberliga antreten müssen. Zuvor wird es jedoch ein Hauen und Stechen geben, und es wird anders werden wie in den PlayOffs vor einem Jahr. Es werden sicherlich Nuancen entscheiden, das minimal höhere Maß an Durchhaltevermögen, Nervenstärke, Cleverness und auch Glück.
Für die Eispiraten hält die erste (und hoffentlich letzte) PlayDown-Serie der DEL2-Saison 2024/2025 eine Neuauflage des letztjährigen Halbfinales parat. Der eine oder andere mag da ein Duell der Enttäuschten sehen, und das ist auch nicht völlig von der Hand zu weisen, aber wer die Ausgeglichenheit der Liga, die namhaften Abgänge (Regensburg) oder das Verletzungspech (Crimmitschau) in die Rechnung einbezieht, dazu die Tatsache, daß beide Teams 2023/2024 weit über den Erwartungen performten, wird sicher entsprechend einordnen können, daß sich Eispiraten und Eisbären nun im Kampf um den Klassenerhalt gegenüberstehen.
Kadersituation:
Die Hausherren konnten, vergleicht man das mit vielen Spielen im Laufe der Saison, fast komplett aus dem Vollen schöpfen. Oleg Shilin stand als Nummer 1 im Kasten, sein Backup war Florian Mnich.
In der Abwehr vertraute Jussi Tuores seinen erfahrensten Kräften, Alexander Schmidt und Ole Olleff blieb nur der Platz auf der Tribüne, Alex Vladelchtchikov spielt ja schon seit einiger Zeit als Förderlizenzler in Halle. Die drei Verteidigerpaare Sacher/Scalzo, Walsh/Kreutzer und Rämö/Thomas kommen zusammen auf 1664 DEL2- und 633 DEL-Spiele.
Im Angriff musste Scott Feser, der im letzten Hauptrundenspiel etwas abbekommen hatte, passen. Dafür war mit Kapitän Tobias Lindberg eine ganz wichtige Personalie seit vielen Wochen erstmals wieder im Line-Up. Denis Shevyrin führte mittlerweile schon gewohntermaßen die Shut-Down-Reihe mit Tim Lutz und Justin Büsing als Center an, die Aufgabe war klar: Regensburg Trivino auf den Füßen stehen. Mit Saponari-Reichel-Zikmund setzte der Eispiratencoach auf Altbewährtes aus der letzten Saison, und auf der 3 lauerte mit Smith-Mackin-Lindberg dann wohl das größte Offensivpotential der Gastgeber. Reihe 4 mit Wagner, Böttcher und Michel sollte keine Eiszeit bekommen aufgrund der Enge der Partie.
Regensburg musste vor der Serie einen herben Dämpfer einstecken, denn Top-Offensivverteidiger Weber fällt komplett aus. Dazu kommen der langzeitverletzte Bühler und der etatmäßige Nummer1-Goalie Laurikainen. Im Tor vertraute Gästecoach Flache daher Jonas Neffin, um vier Feld-Kontigentler auf dem Eis zu haben. Das dürfte er nach dem Match nicht bereut haben, Neffin lieferte.
Die Abwehrreihen der Gäste waren Kose/Giles, Tippmann/Gajovsky und Mayr/Demetz sowie als 7. Verteidiger Schütz. Im Angriff sollten Preto-Trivino-Morley, Schembri-Wong-Liss, Slezak-Schmid-Ontl sowie Kose-Grimm-Angaran die Defensive der Eispiraten beschäftigen. Aber ebenso wie auf der Gegenseite sollte man von der vierten Reihe der Eisbären nicht viel Eiszeit sehen.
Frühe Führung spielt den Gästen in die Karten
Richtig viel Abtasten war nicht: beide Teams versuchten recht schnell, die gegnerischen Goalies unter Beschuss zu nehmen. Regensburg hatte dabei mehr Erfolg: einen starken Lupferpass nahm der hinter die Eispiratenabwehr gekommene Preto mit der Hand mit, lief relativ ungestört auf Shilin zu und versenkte die Scheibe links unten zur frühen Regensburger Führung. Da hätte Shevyrin vielleicht doch lieber den Mann genommen als zu versuchen, selbst den Puck aus der Luft zu angeln. Den Gästen spielte das natürlich in die Karten. Die Eisbären stellten sich ziemlich defensiv auf, hatten immer mindestens einen Spieler in der Schussbahn der Gastgeber, liefen viel und ließen die Rot-Weißen anrennen. Dazu kamen immer wieder gefährliche Konter, und auch in Überzahl (bei Strafen gegen Lindberg und Scalzo) hatte sich Flache etwas ausgedacht, das die Eispiraten zu überraschen schien. Immer wieder gelang es Regensburg, im Powerplay einen Spieler im Slot abzuparken, der dann die Vorlagen von der blauen Linie abfälschte. So hätte auch fast ein 0:2 auf der Anzeigetafel gestanden, aber Pretos Deflection tuschierte nur die Querlatte. Zudem war auf Oleg Shilin Verlass, der Deutschrusse hielt stark. Auf der Gegenseite bekam im Laufe des Drittels, trotz der defensiven Aufmerksamkeit seiner Vorderleute, auch Neffin einiges zu tun, ließ sich aber ebenso nicht überwinden und strahlte viel Sicherheit aus. Gerade von der blauen Linie ließ sich der Gästeschlussmann nicht düpieren (Rämö, Sacher), das Abfälschen der Schüsse vor dem Tor erfolgte entweder zu ungenau oder wurde von der Abwehr der Gäste, die gute Schlägerkontrolle hatte, gleich verhindert. Auch das Penalty Killing, vorab aufgrund der schlechten Statistiken als eventuelle Achillesferse ausgekundschaftet, war stark. Die eigentliche Stärke der Eispiraten im Powerplay kam kaum zum Tragen, als erst Schembri und dann Demetz auf der Strafbank saßen. So schafften es die Eisbären trotz eines Torschussverhältnisses von 11 zu 9 zugunsten der Hausherren doch recht souverän mit der Führung in die Kabine.
Eispiraten übernehmen das Kommando, aber die Gäste stechen wieder zu
Auch im Mittelabschnitt waren es dann zunächst wieder die Gäste, die sich die ersten Chancen erarbeiteten. Morley/Trivino, Ontl und Schembri versuchten sich, scheiterten aber an Shilin. Nach ein paar Minuten verstärkten dann die Westsachsen wieder ihre Offensivbemühungen, ohne jedoch in die Vollen zu gehen. Zu groß war da berechtigterweise der Respekt vor den Regensburger Kontern. Trotzdem gelang es den Hausherren, sich ein leichtes Übergewicht zu erspielen, eine gute Chance von Dominic Walsh leitete eine längere Druckphase ein, die letztlich mit dem Ausgleich belohnt wurde. Während angezeigter Strafe gegen Regensburg verpasste erst Reichel, bevor die Scheibe bei Jerkko Rämö landete, und der Finne endlich das anbot, was man aufgrund seiner bisherigen Stationen von ihm schon länger erwartete: in Balinsonmanier zog Rämö knapp hinter dem rechten Bullykreis knallhart ab und versenkte die Scheibe oben rechts in der kurzen Ecke hinter Neffin. Nur vier Minuten später lagen dann aber die Gäste plötzlich wieder in Front: einen klugen Rückhandpass bei 4 gegen 4 (Saponari und Wong saßen draußen) nahm der nach vorn eilende Gajovsky mit, scheiterte im ersten Versuch noch an Shilin und lupfte den Puck dann aus ganz spitzem Winkel technisch hochwertig zum 1:2 in die Maschen. Und weil Neffin überhaupt nicht nachzulassen schien und die folgenden Angriffe der Gastgeber allesamt vereitelte, nahmen die Eisbären zum zweitenmal an diesem Abend eine Führung mit in die Pause.
Das zählt doch schon fast als Buzzer-Beater
Was jetzt folgen musste, war klar: die Eispiraten rannten nach wie vor einem Rückstand hinterher, es blieben nur noch zwanzig Minuten. Gleichzeitig durften sie aber ihre Abwehr nicht entblößen, dazu sind Leute wie Trivino einfach zu abgezockt. Es gelang den Gastgebern aber dann doch recht gut, diese Balance zu finden. Die Gäste taten den Eispiraten den Gefallen, das Ergebnis nach Hause schaukeln zu wollen, stellten hinten alles zu und vorne die Bemühungen fast komplett ein. 13 zu 4 Torschüsse sollte das Schlussdrittel sehen, aber leider waren die Schüsse 1 bis 12 der Rot-Weißen und dazu noch einige, die am Tor vorbei und damit nicht in die Statistik eingingen, allesamt nicht von Erfolg gekrönt, entweder hielt der die Eispiratenfans wirklich langsam nervende Neffin, oder die rot-weißen Angreifer zielten zu ungenau, oder die aufopferungsvoll kämpfende Regensburger Abwehr bekam ein Körperteil dazwischen. Je länger die Partie dauerte, um so mehr wurde es ein Spiel auf ein Tor. Schon 02:45 vor Ultimo zog Jussi Tuores dann Shilin aus dem Kasten und ging All-In, Regensburg hatte auch zweimal die Chance auf den Empty-Netter, es waren nur noch wenige Sekunden zu spielen, und dann kam Smith und gleich danach Lindberg. Jeder in der Liga dürfte mittlerweile den Pass kennen, aber nur wenige bekommen ihn verteidigt. Colin Smith hatte die Scheibe auf halblinks, wartete in aller Seelenruhe, bis Tobi Lindberg in Position war, ignorierte die aufgeregten Zuschauer, die nur den Blick auf der Uhr hatten, aber nicht auf den Kapitän der Eispiraten, dann Pass, dann Tor. Der hochverdiente Ausgleich, zwar trotzdem bitter für die Regensburger, aber das muss uns ja nicht interessieren.
Was lange währt, wird gut
Was folgte, waren noch 42 Minuten Hochspannung. Zwei Drittel lang schenkten sich die Teams rein gar nichts, zunächst hatten die Gäste in der ersten Verlängerung das Momentum lange auf ihrer Seite und scheiterten ein ums andere Mal an Oleg Shilin, während auf der anderen Seite vor allem Mr. Overtime Dominic Walsh den Siegtreffer auf der Kelle hatte. Doch auch Neffin spielte weiterhin fehlerlos. Beiden Teams sah man an, daß sie sich defensiv nichts nachsagen lassen wollten, vieles wurde wegverteidigt, und doch ließen natürlich die Kräfte auch irgendwann nach und es kam zu weiteren Chancen. In der zweiten Verlängerung wurde es nach zwei Strafen gegen die Eispiraten (in Anbetracht der in der normalen Spielzeit und vor allem in Drittel 3 langen Leine der Referees, die die Teams gut nutzten, aber nicht ausnutzten, war wenigstens die zweite eine ziemlich kleinliche Entscheidung) für Shilin und seine Vorderleute noch einmal kritisch, auf der Gegenseite hätten die Hausherren bei einigen Unterzahlkontern aber ebenfalls die Partie entscheiden können. So ging es es straff Richtung Rekordmarke (107 Minuten dauerte das bisher längste Match der Eispiraten damals in Rosenheim), aber Colin Smith und Corey Mackin war dieser Rekord verständlicherweise komplett egal: einen Klasse-Doppelpass veredelte der nachverpflichtete US-Amerikaner mit dem umjubelten Siegtreffer in Minute 102 und tütete damit Sieg 1 in der Serie für die Eispiraten ein.
Wie prognostiziert, entschieden Kleinigkeiten, und das wird sich in der Serie voraussichtlich auch so fortsetzen. Regensburg war knapp dran, das Heimrecht zu klauen, am Sonntag können es die Eispiraten sein, die dem Gegner richtig Kopfzerbrechen bereiten, wenn sie auswärts erfolgreich sind. Die Eisbären sind jedenfalls unter Zugzwang, und wir werden abwarten, wie sie mit dieser zusätzlichen nervlichen Belastung umgehen werden. Für die Westsachsen heißt es nun: regenerieren, befreit aufspielen und das Ziel vor Augen kommt näher. Positiv zu erwähnen bei den Eispiraten natürlich Oleg Shilin und Passgott Colin Smith, aber auch die Reihe um Denis Shevyrin, die den gefährlichsten Regensburger Trivino in Schach hielt, und Thomas Reichel, mittlerweile klarer Leader seiner Formation, der immer wieder an den Ketten zerrte.