Am Freitag, um 20 Uhr, ist es so weit: die heisse Phase der Saison 2014/2015 beginnt für die Eispiraten mit einem Heimspiel im Crimmitschauer Sahnpark. Der Gegner kommt aus Heilbronn, hat in dieser Saison gegen die Rot-Weissen von vier Spielen eines gewonnen, drei verloren, dabei in 2 Spielen gar nicht getroffen, einmal acht, einmal neun Gegentore im Sahnpark bekommen und eine Gesamt-Torbilanz von 9:22. Und was heisst das alles ab Freitagabend? Richtig: gar nichts, nicht das Geringste. Denn so klar die Favoritenrolle in der Serie den Westsachsen zugesprochen werden muss, so klar ist auch, dass in solchen Begegnungen eine Favoritenrolle kein einziges Tor schiesst. Sonst wäre Bremerhaven nie abgestiegen, Bad Nauheim wäre nie vor Frankfurt und Kassel in der Liga gewesen, Freiburg hätte letztes Jahr keinem Probleme bereitet und und und…
Man sollte also nicht all zu selbstverständlich davon ausgehen, dass die entscheidende zweite Play-Down-Serie Kaufbeuren gegen Heilbronn heissen wird, In diese Serie will keiner, und jeder Gegner, hat er während der Saison noch so oft auf die Zwölf bekommen, wird kratzen, beißen und um sich schlagen, um da nicht hin zu müssen. So sollten wir die Falken erwarten und genau zu Gleichem bereit sein.
Nehmen wir die Kontrahenten also mal etwas genauer unter die Lupe:
34 Punkte aus 52 Spielen haben die Unterländer erreicht, dabei gab es zehn Drei-Punkt-Siege, einen nach Penaltyschiessen. Dem stehen 39 glatte Niederlagen und zwei nach Verlängerung gegenüber. Wahrlich nicht berauschend, und es wird auch nicht besser bei den Special Teams: mit 15,71% Powerplay-Erfolgsquote stehen die Falken auf dem letzten Platz in dieser Kategorie, die 74,47% in eigener Unterzahl reichen knapp vor Kaufbeuren zu Platz 13. Sechs Shorthandern, die für einen Platz im Mittelfeld der Liga qualifizieren, stehen sieben zugelassene Tore bei eigener Überzahl entgegen, das sind die viertmeisten.
Besser sieht es bei den Eispiraten schon aus: 18 eigene Drei-Punkt-Siege und 2 gewonnene Penaltyschiessen, 28 glatte Niederlagen, dazu je zwei nach verlorenen Verlängerungen und Shootouts. Das ist sicher nicht überragend, brachte aber immerhin 62 Punkte und damit fast doppelt so viele, wie die Falken zu Buche stehen haben. Auch bei den Special Teams: Vorteil Rot-Weiss. Mit 20,25% im Powerplay hat man die magische 20 hinter sich gelassen und steht auf Platz 8 in der Liga. In Unterzahl sieht es da schon schlechter aus: mit 77,03% klar an der 80 vorbeigeschrammt und daher ein verdienter zwölfter Platz. Bei den Shorthandern dann wieder erste Sahne: nur drei gefressen, aber neun erzielt.
Chris Lee hat es geschafft, als recht unerfahrener Trainer, zumindest als Headcoach, dem Spiel der Eispiraten Attraktivität einzuhauchen. Spektakel war eigentlich fast immer. Nun steht auch bei ihm die Nagelprobe bevor: schafft er es, seinen Jungs Play-Down-Hockey-Mentalität mitzugeben? Von der Erfahrung her muss er sich bei Falkencoach Gerd Wittmann naturgemäß hinten anstellen, der mittlerweile 72jährige Sonthofener hat davon jedenfalls reichlich. Co Luigi Calce steht schon als Zugang im Trainerstab der Mannheimer Adler fest, wird sich aber nicht als Absteiger von seiner langjährigen Wirkungsstätte verabschieden wollen. Calce-Hockey könnte dabei helfen…
Kommen wir zu den einzelnen Mannschaftsteilen:
1. Die Goalies
Als Nummer 1 der Heilbronner hat sich in den letzten Spielen der Hauptrunde klar der junge Florian Proske herauskristallisiert. Proske hielt in der Schlussphase der Saison so einiges fest, überzeugte vor allem beim überraschenden 5:1 gegen Dresden. Vom nachverpflichteten Scola hat man lange nichts mehr gehört, und 1b Philipp Lehr konnte sich nicht eben empfehlen. Also muss wohl der 19jährige Bad Muskauer die Kohlen aus dem Feuer holen. Die 3,52 durchschnittlichen Gegentore pro Spiel klingen bei der Saisonbilanz der Falken nicht mal wirklich viel.
Auf der Gegenseite ist die Rollenverteilung noch viel klarer: nur eine – bewahre uns! – Verletzung wird Ryan Nie daran hindern, alle Partien im Tor der Rot-Weissen zu bestreiten, mit dieser Prognose lehnt man sich wohl nicht all zu weit aus dem Fenster. Nie kommt auf einen Schnitt von 3,23 GT/Spiel, hat sein Spiel, über die Saison gesehen, stabilisieren können. Auch wenn der Kanadier seine berüchtigten Ausflüge etwas eingeschränkt hat: für einen Adrenalinmoment ist er immer gut. Aber sehen wir das Positive: der zusätzliche Mitspieler hinten macht das Spiel nach vorne schnell, und seine Fanghand ist sicher eine der besten der Liga. Dazu hat Nie schon so einige Play-Off-Runden gespielt, weiss also, worauf es in der heissen Phase der Saison ankommt.
2. Die Abwehrreihen
224 Gegentore für Heilbronn sind mit einigem Abstand die zweitmeisten der Liga, die Plus-Minus-Statistik der Falkendefender sähe wahrscheinlich verheerend aus, wenn es sie denn offiziell irgendwo nachzulesen gäbe. Die vor der Saison aus Crimmitschau gewechselten T.J. Fast und Robin Thomson haben sich da wirklich vom Regen in die Traufe begeben. Aber das war aufgrund der Zusammenstellung des Heilbronner Kaders irgendwo auch zu erwarten: große Namen oder zumindest die von gestandenen Zweitligaverteidigern sucht man in größerer Zahl vergebens. einzig der schon erwähnte T.J. Fast und mit Abstrichen Fabian Krull, Robin Thomson und die auch noch sehr junge Adler-Leihgabe Dominik Bittner haben ihre Ligatauglichkeit schon nachgewiesen. Dazu kommt ein ganzes Bündel junger Wilder, die direkt aus Nachwuchsligen rekrutiert wurden: Dominik Tiffels, Steven Bär, Dorian Saeftel, Louis Heinis. Angst macht das keine. Vor allem offensiv kommt bei den Falken aus der Verteidigung kaum etwas: Krull 19 Punkte, Fast 15 Punkte, Tiffels 11 Punkte. Auf T.J. Fast müssen die Eispiraten trotzdem achten, denn dass er es kann, hat er in seiner Zeit im rot-weissen Trikot definitiv bewiesen. Vor kurzem kam auch noch Thomas Gödtel hinzu, den kennen wir in Crimmitschau auch noch, und es steht zu befürchten, dass „Uschi“ den Eispiratenstürmern das eine oder andere Mal wirklich wehtun wird. Da müssen sie wohl durch.
Bei den Westsachsen stehen 195 Gegentore zu Buche, was immerhin für Platz 12, direkt vor den Falken, reicht. Gut ist das deshalb trotzdem nicht. Und die Sache mit der Plus-Minus-Statistik gilt mit Abstrichen auch für die Eispiratenabwehr. Eingespielt dürften sie indes alle sein, denn mehr als die sieben Stammkräfte Card, Schietzold, Körner, Tramm, Opree, Neumüller und Kirschbauer gibt es bei den Eispiraten nicht, Eiszeit für alle war genug da. Als gleichzeitig Körner und Neumüller verletzt fehlten, sprangen Forster und Walsh hinten ein. Manko also: die dünne Personaldecke. Enttäuscht hat eigentlich keiner der Defender, Card, Körner und Schietzold nahmen die angedachten Führungsrollen ein, Opree, Neumüller, Tramm haben dazu gelernt, Kirschbauer spielt seinen eher unauffälligen Defensivpart. Aber trotzdem sind sie alle immer mal für einen Bock gut gewesen: der eine weniger (der überraschend gute Jakub Körner, hoffentlich ab Freitag wieder dabei), der andere mehr (hier muss man, aufgrund des letzten Saisonviertels, leider Andre Schietzold nennen, der hoffentlich seine Form zu den Play-Downs wiederfindet). Fast durchweg gut allerdings der Offensivoutput: Card 35 Punkte, Schietzold 29, Körner 23, Tramm und Opree 9, Neumüller 5, Kirschbauer 3 – das durfte man nicht alles so erwarten.
3. Der Sturm
119 Tore können die Heilbronner verzeichnen. Das ist wenig, selbst für einen Sturm, in dem bekannte Namen eher die Ausnahme sind. Einzig der nachverpflichtete Riley Armstrong, Stefan Legein und Sachar Blank haben schon die höheren Eishockeyweihen erhalten, einen gewissen Bekanntheitsgrad im deutschen Eishockey haben auch die Janzen-Brüder, Dustin Cameron und der junge Alexander Ackermann. Dann hört es auch schon auf. Der Rest sind bislang unbekannte Nordamerikaner und junge deutsche Cracks. Am besten schlugen sich Cameron (50 Punkte), Dauerföli Marcel Kurth (37), Grant Toulmin (24) und Armstrong (20, das aber dafür in 21 Spielen). Alles nicht wirklich überragend, vor allem der langjährige DEL-Spieler Blank (19) und der immerhin 265mal in der AHL eingesetzte Legein (7) brachten nicht das aufs Eis, was man erwarten durfte. Nur Cameron und Kurth trafen mehr als zehnmal. Ganz ordentlich dagegen die jungen Heilbronner Palausch, Maginot, Krüger, die alle im zweistelligen Bereich punkteten. Alles in allem aber eher ein Lüftchen als ein Sturm, und mit genügend Ernsthaftigkeit und Konzentration sollte man diesen Angriff oft genug von Ryan Nie fernhalten können.
In Crimmitschau konnte man sich in dieser Saison an den rot-weissen Angriffsreihen erfreuen. Es sah einfach gut aus, was da teilweise aufs Eis gezaubert wurde. 180 erzielte Treffer sind Platz 7 in der Liga und bestätigen das. Man muss allerdings auch sagen, dass die Namen auf den rot-weissen Trikots schon einen gewissen Klang haben: eine dritte Reihe Forster, Walsh, Bucheli hat jetzt auch nicht unbedingt jeder Zweitligist. Eine erste mit Hutchings, MacQueen, Lampe oder eine zweite mit Tepper, Heinisch, MacKay auch nicht. Klassenbester Crimmitschauer nach der Hauptrunde war Alex Hutchings (62 Punkte) vor Jamie MacQueen (61) und Marvin Tepper (58). Mit MacQueen, MacKay und Hutchings gab es drei Angreifer mit mehr als 20 Treffern. Kommen die alle ins Rollen, wird es schwer für Heilbronn, so viel steht fest.
So weit die Bestandsaufnahme, und damit auch die Begründung dafür, warum die Eispiraten eindeutiger Favorit der Serie sind. Aber wie sich das mit der Favoritenrolle so verhält, steht ja schon weiter oben. Bringen die Rot-Weissen ihre Klasse aufs Eis, werden sie spätestens am 27.03. die Urlaubstickets lösen können. Schafft es Heilbronn, ins westsächsische Angriffsgetriebe Sand zu streuen, haben die Falken eine Chance.
Die Rot-Weissen können ein Lied von den Play-Downs singen, alle Jahre wieder finden sie sich in den umkämpften, harten Abstiegsspielen wieder. Und irgendwie schaffen sie es seit Jahren, sich zu retten. Vielleicht hängt das auch mit dem Umstand zusammen, dass sich alljährlich zum Frühlingsbeginn das Crimmitschauer Publikum daran erinnert, wie es früher mal gewesen ist: die Zuschauerzahlen steigen, die Anfeuerung des Teams wird lauter und länger, manchmal ohne Pausen, das Herzblut ist dabei, denn dann kämpfen plötzlich wieder alle gemeinsam gegen das Abstiegsungeheuer. So muss das auch, und so soll es wieder sein ab Freitag. Um die anderen weinen können wir auch später, wenn wir uns gerettet haben. Hoffentlich kommt es so.
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